Chrisso hat geschrieben:
1. Die Lager muessten doch genormt sein oder? Kann ich die auch guenstig als Aftermarketlager beim Hersteller kaufen? Und was gibt es beim Lagerkauf zu beachten?
Hallo Chrisso,
>>Achtung - viel Text<<
bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, einen Motorradmotor selber in alle Einzelteile zu zerlegen, wenn nicht einmal das grundlegendste Verständnis für Wälzlagertechnik vorhanden ist? Hast du denn wenigstens geeignetes und qualitativ hochwertiges Werkzeug (Abzieher, Drehmomentschlüssel, Heißluftpistole, saubere Werkbank etc., evtl. Präzisionsmesswerkzeuge zum Ausdistanzieren von Getriebewellen, Distanzscheiben, Wellendichtringe ...) sowie das Wissen, um solche nicht ganz banalen Arbeiten auszuführen?
Ich stelle mir nur vor, jemand - ohne dir jetzt zu nahe treten oder etwas unterstellen zu wollen - bietet mir ein gebrauchtes Motorrad an und in der Anzeige steht "Motor wurde generalüberholt und neu gelagert" und ich lese dann zufällig, dass die selbe Person in einem Forum fragt, ob Wälzlager genormt sind und auf was man evtl. achten sollte. Hmmmm???
Aber jetzt zu deiner Frage:
1) Wälzlager sind in der Regel genormt und der Konstrukteur ist angehalten, wo immer möglich Normlager bei der Konstruktion vorzusehen (sog. Standardlager oder Vorzugsbaureihen).
2) Von einer Lagerbauart gibt es verschiedene Ausführungen bezogen auf die Käfigform, das Käfigmaterial, die Anzahl der Lagerkugeln und die sog. Lagerluft, außerdem gravierende Unterschiede in der Qualität. Je nach Einsatzbedingung und auch beeinflusst durch in der Praxis vorkommende Form- oder Lageabweichungen in der Motorenproduktion muss man ein passendes Lager auswählen. Toleranzen z.B. beim Gießen von Motorblockhälften oder der anschließenden Bearbeitung treten häufig auf. Beispielsweise fluchten z.T. die Lagersitze von Nocken- oder Kurbelwellen meist nicht 100%. Oder es wird auf Grund von thermischen Ausdehnungen oder durch Formänderung des äußeren / inneren Lagerrings beim Einpressen von Lagern etwas mehr oder weniger Lagerluft oder eine spezielle axiale Distanz benötigt. Hier helfen bei der Lagerauswahl nur sehr gute Maschinenbaukenntnisse oder - ideal für Selberschrauber - der Aufdruck auf einem oder beiden der Lagerringe (vorausgesetzt, das Lager ist das originale und wurde nicht schon einmal durch ein falsches ersetzt!).
3) Keine Regel ohne Ausnahme: Manchmal findet man als Konstrukteur kein Standardlager, das allen Anforderungen gerecht wird. Z.B. kann das Lager zu groß im Durchmesser sein oder zu breit in der Bauform. Oder die Belastbarkeit ist nicht ausreichend. Oder die Schmierung ist ungünstig. Oder oder oder ...
Dann kann man versuchen, ein Sonderlager zu verwenden.
Oder der Motorenhersteller muss spezielle Lager bei den Wälz- oder Gleitlagerherstellern nach seiner eigenen Zeichnung fertigen lassen. Solche Lager heißen daher auch Zeichnungslager und sind IN KEINEM FALL IM FREIEN HANDEL ZU BEKOMMEN, da hat der Fahrzeughersteller aus nachvollziebaren Gründen die Finger drauf. Solche Lager gibt es z.B. bei den BMW-Motorrädern in manchen Baureihen, die kriegt man dann nur gegen gutes Geld bei BMW!
In deinem Fall musst du also alle notwendigen Informationen ermitteln. Ich empfehle dringend, dich mit der Wälzlagertechnik in Eigenregie vertraut zu machen, bevor du so ein Projekt angehst. Also im einfachsten Fall die schon ausgebauten oder sichtbaren Lager mit einer Lupe auf ihre Kennzeichnung untersuchen (und bitte genau deren Einbauposition einhalten, also nicht ein Lager von der linken Kurbelwellenseite auf die rechte umbauen o.ä.).
Außerdem Zeichnungen oder Stücklisten zum Motor besorgen, falls verfügbar, um zu prüfen, ob die Lager auch den Originalen entsprechen.
Dann kannst du dich auf die Suche nach einem seriösen Lieferanten machen. Ich kann nur vor Billig-Lagern oder unklarer Herkunft warnen - das geht mit Sicherheit daneben! Also Finger weg von ebay- oder Fernostanbietern, wenn nicht die Qualität nachweisbar einwandfrei ist. Es sind Mengen an Nachbau-Lagern aus China & Co. auf dem Markt, selbst die Originalpackung wurde dabei so gut kopiert, dass man sie kaum als minderwertigen Schrott erkennen kann. Kauf also nur im Fachhandel, kostet nur minimal mehr und garantiert (meist) dauerhaften Erfolg! In einer guten Fachwerkstatt wirst du nie Billiglager finden - sonst ist die Werkstatt nicht gut! ; )
Wenn du dich da unsicher fühlst, kauf die Lager beim Suzukihändler als Originalteile!
Dann natürlich noch die notwendige Sorgfalt beim Aus- & Einbau und Ausdistanzieren einhalten, dann klappt es.
Noch was: Man ist gerne verleitet, ein gebrauchtes Lager wieder einzubauen, weil es "ja noch gut läuft". Das kann man machen, dann aber vorher 100% auswaschen und nochmal prüfen. Wenn man ein Kugellager z.B. am Außenring abgezogen hat, schmeiß es lieber weg, auch wenn es sich noch gut anfühlt. Die paar Euro mehr tun dir nicht so weh wie ein Motor-Totalschaden, weil genau dieses Lager doch nicht mehr innerhalb der Toleranz lag.
Wie gesagt, kann man alles selber machen, wenn man es kann! Ein guter Mechaniker ist nicht zu teuer!
Viel Erfolg!
Peter