
Servus miteinander,
ich habe jetzt 25 Endurojahre hinter mir und hoffentlich noch genausoviele vor mir. Unfreiwillige Abstiege gab´s unzählige, gottseidank haben die Knochen bis auf zweimal den plötzlich auftretenden Kräften standgehalten.
Beim ersten mal warens alle fünf Zehen vom rechten Haxen, wie das gelaufen ist weis ich bis heute nicht........war aber nicht so dramatisch, da die Notaufnahme vom Ingolstädter Klinikum nur einen Steinwurf weit weg war.
Beim zweiten Einschlag habe ich einiges gelernt, fahre nicht so dicht auf, passe deine Geschwindigkeit den äußerlichen Gegebenheiten an, ri-ra-runkel...bei Nacht+Nebel ist´s ziemlich dunkel usw.
Wir waren Ende Oktober zu Dritt auf dem Heimweg von der Ligurischen und wollten am frühen Abend noch über die Assietta-Colle di Finestre nach Susa und dort übernachten. Wie´s in dieser Jahreszeit halt so ist, wird´s doch recht schnell dunkel. Als wir oben am Colle die Finestre standen kam dann noch leichter Schneefall und eine kuschelige undurchsichtige Wolkendecke dazu. Uns doch wurscht, geht ja blos noch ein paar Kilometer den Berg runter....außerdem haben wir ja mit unseren 25 Jahren schon sowas von Erfahrung, machen alles Richtig und wären eigentlich als Sieger bei Paris-Dakar vorgesehen....wenn uns jemand Sponsern würde.
Noch schnell eine geraucht, ein Gipfelfoto gemacht und dann runter ins Susa-Tal. Mein Kumpel fährt mit der TT voraus und ich gleich hinterher.
Der Nebel lichtet sich wieder ein bischen, dementsprechend wird auch gleich das Tempo wieder erhöht. Die Schotterpiste hatte inzwischen auf Lehmigen Untergrund gewechselt, genau das richtige für nen abgefahrenen Enduro 3.......................
Ungefähr einen Kilometer nach dem Pass, sieht´s bei diffusen-nebligen-Abendlicht so aus, als würde die Piste noch ca. 200 Meter stangengerade bis zur nächsten Kehre gehen......tut sie aber nicht! Mit der Vorfreude auf den anstehenden Bremsdrift in diese Kehre sind wir Rad an Rad drauf zu gedonnert. Es klart plötzlich auf, und siehe da, es geht doch tatsächlich nochmal scharf rechts um einen Bergeinschnitt herum. Die sofort eingeleitete Vollbremsung brachte aufgrund der falschen Reifenauswahl/Untergrund rein garnix mehr. Mein Kumpel ist stangengerade in das Tal gehüpft, ich im unfreiwilligen Drift in den Rechtsknick gerutscht......uaaaaahhhhhh. Den Lenker links am Anschlag, ohne jegliche Kontrolle, eine Wasserrinne die mit Freuden das Vorderrad aufnimmt und mir die Karre unter dem Arsch rauszerrt, noch ein seltsames Krachen am Helm und in der rechten Schulter und dann war´s Still am Berg.
Aufstehen kann ich, weh tut mir im ersten Augenblick auch nix, wo ist mein Kumpel? Der steht unten in dem Loch und versucht fluchend seine Klapperkiste anzukicken, also garnix passiert. Meine Karre liegt mitten im Weg, schnell aufheben nicht daß unser dritter auch noch den Abflug macht. Der steht aber schon hintermir und hat nen Grenzstein unterm Arm???? Und irgenwie fühlt sich die ganze rechte Seite jetzt doch irgendwie anders an. Kurzum, ich habe mit der Schulter diesen Stein aus dem Boden gehebelt. Moppedaufheben geht nicht, das einzige was noch funktioniert, ich kann die rechte Hand noch auf und zu machen. Für die letzten 10 Kilometer runter nach Susa hab´ich fast zwei Stunden gebraucht, irgendwie ist jetzt nicht mehr alles so cool und easy und nächstes Jahr gewinne ich die Dakar, vorm Durchfahren des kleinsten Schlagloches mache ich die Augen zu und beiß die Zähne zusammen, von den Geräuschen die meine rechte Schulter bei jeder kleinsten Bewegung macht, wird mir schlecht. So wie wir aussehen ist es auch nicht besonders einfach eine Bleibe für die Nacht zu finden bzw. wir kriegen echt nirgends ein Zimmer. Im Schneeregen suchen meine beiden Freunde das Krankenhaus von Susa, ich hocke wie ein Häufchen Elend in irgendeinem Bushäuschen, warte und mache mir Gedanken wie ich in diesem Zustand Heim kommen soll. Es ist schon Mitternacht bis die beiden mit langen Gesichtern wieder da sind, keine Klinik gefunden und auch kein Mensch mehr unterwegs den man fragen könnte. Nach einer Ewigkeit des Beratschlagens und Abwägen der Möglichkeiten habe ich dann beschlossen, daß wir auf der Autobahn in Richtung Heimat starten. Wir sind dann so um 2 Uhr in der Früh auf die Autostrada gefahren und waren Abends um sieben zu Hause.
Das Ergebniss des Röntgenbildes war dann eine durchgebrochene Oberarmkugel und ein angeknackstes Schulterblatt und ein riesen Anschiss vom Arzt und meiner Familie.
Das ganze ist jetzt 16 Jahre her, und noch immer bekomm´ich vor jeder Tour den guten Ratschlag von meiner Mutter mit: "Denk´an den Grenzstein".......wo Sie recht hat, hat Sie recht. Wir machen auch jedesmal eine Zigarettenpause an der Stelle und schauen ob "mein Grenzstein" noch da ist......letztes Jahr im September stand er noch.
Gruß vom Mikka
