Hallo Zusammen,
so, jetzt wird’s aber wirklich mal Zeit, dass ich mit meinem Westafrikabericht weitermache
Im Teil II geht es um die Wunder der Stadt Agadez im Nordosten von Niger
Den Teil I mit Routenbeschreibung gibt es
hier
Leider musste Olli die Vorschaubildchen durch normale Links ersetzen, da sonst ein Timeout-Fehler auftrat. Bei Teil II versuch ich’s erstmal wieder mit Vorschaubildchen. Bin ja nicht ich, der im Falle eines Falles die Änderungsarbeit hat, gell Olli?
Im (KTM)Adventureforum hatten nach der Veröffentlichung von Teil I ein paar Leute moniert, dass neben den Bildern etwas mehr berichten soll. Hab ich diesmal versucht, so dass es eigentlich mehr ein Reisebericht als ein Bilderbericht geworden ist. Ich verlange von niemandem, dass er sich das ganze Geschwafel auch durchliest
So jetzt aber: wo war ich stehen geblieben? Ach ja, hier: bei 1,8 Promille
Seht’s uns nach, es ist Sylvester und wir haben’s bis nach Agadez geschafft! Irgendwie war ich am Anfang der Reise nicht so recht davon überzeugt, dass wir soweit kommen
Wir, das sind übrigens (von links nach rechts) Stephan auf totalumgebauter BMW R100GS, Theo auf KTM LC4 Adventure und Gerald auf BMW R1100GS.
"Alle Männer, die mit uns nach Afrika faaahren, müssen Männer mit Bärten sein"
Wie ihr seht, bin ich mit Abstand der Jüngste, und als „Stift“ war es natürlich meine Aufgabe, das Bier ranzuschaffen. Hm, ob das in einem muslimischen Land so einfach wird? Ich frage den Gardien, einen zahnlosen alten Tuareg, ob man hier wohl du bière bekommt. Hm, wird schwierig, meint er, aber ich soll mal mitkommen, er kennt einen Laden, der manchmal was hat. „Wie weit ist das?“ „Hm, 10 Minuten.“ Und so schlappen wir los. Bald stellt sich jedoch heraus, dass er 10 afrikanische Minuten gemeint hat und dass sich der Laden auf der anderen Seite der Stadt befindet. Agadez zählt mit ca. 50.000 Einwohnern zu den größeren Städten im Niger und so stapfen wir fast 1 europäische Stunde durch die zappendusteren, dafür aber umso belebteren, Straßen. Unser Ziel ist ein kleiner Supermarkt in fast europäischem Stil, wohl ein Tribut an die relativ vielen Touristen, die Agadez besuchen. Triumphierend greift der Alte in eine Kühltruhe und zieht 2 Würfel deutsche Meggle-Butter raus. Bäh! Von dem Zeug hab ich schon beim Bund immer Sodbrennen bekommen und heute Abend ist mir wirklich nicht danach. „Nein, nein, nein – ich suche bière, nicht beurre!“ dazu mache ich mit Daumen und Kleinem Finger das universalsprachliche Zeichen für (Be-)Trinken. „Achso, du meinst bière! Na sags doch gleich, Bier gibt’s hier an jeder Ecke!“ Und tatsächlich, in der Bar 20m weiter werden wir fündig. Waow, hier ist ja richtig Stimmung, echt klasse. Das magenfreundlich temperierte Bier wird schnell in einen ehemaligen Zementsack samt Restinhalt gepackt, mein Tuareg-Führer verpflichtet sich, dafür zu sorgen, dass die Pfandflaschen morgen zurückgebracht werden und ab geht’s nach Hause. In den Straßen steppt der Bär, besonders am marché de nuit, am Nachtmarkt. Außerdem begegnen wir unterwegs 3 größeren Frauengruppen, die äußerst kokett und laut iih iih iih trällernd durch die Menge ziehen. Der Alte erklärt mir schmunzelnd, dass es sich dabei um so etwas wie Jungesellinnenabschiede für Tuareg Bräute handelt. Die Engländer haben dafür so ein schönes Wort: Hen Night, Hennenabend
Zurück am Campingplatz sorgt das Bier schon bald für fröhliche Gesichter, siehe Bilder oben. Nach einem harten Tag im Sattel kann so ein Bière Niger schon ganz schön reinhauen
Wir zwingen uns noch, bis zum Jahreswechsel aufzubleiben, schießen einen kleinen Signalstern ab und fallen 2 Minuten später totmüde ins Bett.
Am nächsten Tag stürzen wir uns ins Getümmel:
Der erste Weg führt fast zwansgläufig zur Großen Moschee von Agadez:
Ein 26m hoher, traditioneller Lehmbau mitten in der Stadt. Natürlich ist für die Besichtigung ein gar nicht so kleiner Obulus fällig, weil eine Moschee ja eigentlich nur von gläubigen Moslems betreten werden darf. Nach einigem Gefeilsche einigen wir uns auf einen Preis, der uns vernünftig erscheint und dürfen den Turm betreten.
Der Wächter der Moschee führt uns zu einer ca. 1m hohen Öffnung. Zuerst denke ich, dass wird wohl der Eingang für die Ungläubigen sein - später stellt sich aber heraus, dass es sich um den ganz normale Aufgang für den Imam handelt.
Gebückt und barfüssig beginnen wir also unseren Aufstieg – ob unsere Schuhe nachher noch da sind?
Kleine Fensterchen auf dem Weg nach oben versprechen einen fantastischen Blick von der Spitze. Die ist allerdings so schmal, dass wir uns mit dem Blicken und dem Fotografieren abwechseln müssen.
Gerald hat ein wenig Höhenangst und möchte schnell wieder runter. Der Moscheewächter und seine Begleiter kennen die Situation wohl schon von anderen Touris und wollen plötzlich den Preis für die Besichtigung noch mal nachverhandeln. Dabei stehen sie zufällig im Gang, so dass erstmal nichts mehr vor oder zurück geht. Damit kein falscher Eindruck entsteht: die Situation war in keinster Weise irgendwie „bedrohlich“ außer vielleicht für Leute mit Höhenangst
Danach sind wir noch etwas durch Agadez geschlendert. Das tolle ist, dass die Läden thematisch gruppiert sind. Neben 10 Lebensmittelläden unmittelbar nebeneinander folgen 10 Reifenhändler, dann 10 Baumärkte usw.
Achja und natürlich 10 Metzegreien …
Die Märkte sind unglaublich gut bestückt. Andernorts im Niger oder in Mali standen in den Regalen vielleicht ein paar vereinzelte Fischdosen und ein pack Nudeln, das wars.
Für uns ein wahrer Glücksfall sind Telecentre von Thureya.
Dort kann man für umgerechnet einen Euro pro Minute per Satellit nach Hause telefonieren. Etwas problematisch dabei ist, dass so etwas nicht ohne Zuschauer abläuft. Man kann schreien, toben, bitten oder flehen - es nützt alles nichts! Mindestens einem halben Dutzend freundlicher Zuhörer gelingt es immer, sich irgendwie mit in die Kabine zu drücken. Wenn es die Zuschauer nicht tun, dann drückt eben der Betreiber des Telecentre immer wieder auf Lauthören. Die Umstehenden verstehen zwar ganz sicher kein Wort Deutsch, dass müssen sie auch gar nicht. Der Versuch, ein paar liebe Worte mit der zu Hause gebliebenen Ehefrau auszutauschen wird auch ohne Sprachkenntnisse sofort entdeckt und mit fröhlichem Gekicher und Gegrinse quittiert
Wo wir gerade von zu Hause gebliebener Ehefrau sprechen: Der wichtigste Mann der Reise ist für mich Monsieur Koumama, der wohl berühmteste Tuareg-Silberschmied der Sahara.
Er stellt die berühmten Tuaregkreuze, von denen ich einige als „Drachenfutter“ mit nach Hause gebracht habe
Hier ein Blick in die Werkstatt von Monsieur Koumama. Die Kreuze werden aus Wachs vorgeformt, dann wird mit Lehm und Kamelmist eine Form darum gepappt und nach dem trocknen wird das Wachs ausgeschmolzen. Anschließend wird das Silber in die Form gegossen und nach dem Erstarren herausgebrochen und dann gefeilt und gefeilt und gefeilt…
Dabei hat jeder Mitarbeiter sein eigenes Zeichen, dass er in die Rückseite vom Kreuz graviert. Wird das Kreuz verkauft, erhält er sein Geld.
Neben jeder Menge Silberschmuck gibt es auch wunderschöne Lederwaren. Die werden aber ausschließlich von Frauen hergestellt, die bei Verkauf auch das entsprechende Geld bekommen. Deshalb kann unmöglich ein Gesamtpreis für z.B. ein Silberkreuz und ein Lederarmband ausgehandelt werden - Männer- und Frauenware muß strikt getrennt von einander verhandelt werden
Ich wird’s bestimmt noch öfter sagen … in Afrika wird grundsätzlich alles auf dem Kopf transportiert. Immer.
So, dass muß für heute erstmal reichen.
Coming soon: Teil III - Von Agadez nach Mali
Im nächsten Teil treffen wir jemanden, der noch größere Haufen als wir scheißt, machen Bekanntschaft mit den Tücken der Sahelpisten, wir erfinden ein Stinkometer und legen uns mit Windhunden an, um nach unzähligen Strapazen das malerische Grenzdorf Andéramboukane zu erreichen
Bis bald
euer Theo
Nachtrag: So jetzt ist er online, der
Teil III