Herzlich Willkommen zu Teil III vom Westafrika-Reisebericht
Den Teil II gibt es
hier
Zur besseren Übersicht habe ich keine Kosten und Mühen gescheut und eine Übersichtskarte gebastelt
der aktuelle Streckenabschnitt ist grün markiert:
Nach dem Aufenthalt im quirligen Agadez fahren wir über mal mehr, mal weniger guten Asphalt nach Tahoua. Agadez liegt scheinbar an einer regelrechten Vegetationsgrenze: Sand im Nordosten, Prärie im Südwesten.
Das üppige Gras eignet sich hervorragend zur Rinderzucht und mich beschleicht ganz leise der Verdacht, dass in Afrika manches ein bisschen größer ist …
„Du weißt nicht, mit wem du dich anlegst, Alter! Ich scheiß größere Haufen als du!“
Immer wieder überqueren Rinderherden die Straße, dabei sind die Viecher größtenteils friedlich, nur ein Jungbulle hat einmal ein bisschen den Macker gemacht, bis wir die Motoren abgestellt haben. War wohl der Schülerlotse
Ab Tahoua wollen wir auf kleinsten Pfaden direkt Richtung malische Grenze fahren. Ein Führer ist hier nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben und auch die anstehenden Tanketappen von maximal 4-500km können wir ohne Begleitfahrzeug überbrücken. Das heißt für uns zum ersten mal auf der Reise (und für mich zum ersten mal im Leben): Offroadfahren mit vollem Gepäck. Wegen dem vielen Bewuchs ist freies Geradeausballern wie in der Ténéré auch nicht mehr möglich. Im Sahel zu fahren bedeutet Spurrillenfahren. Trotz mächtig Adrenalin und Herzklopfen
muß ich als einziger KTM-Fahrer natürlich voraus fahren, ob es mir nun passt oder nicht
Also noch mal die Grundregeln ins Gedächtnis rufen: Knie an den Tank, Blick geradeaus und dann gib ihm. Läuft nach anfänglichen Schreckmomenten eigentlich ganz gut. Nach einer Weile halte ich an, um auf die BMW-Fahrer zu warten, aber da kommt nix. Also zurückfahren. Gerald mit der fetten R1100GS kommt mit den Spurrillen überhaupt nicht zurecht und will lieber „außenrum“ auf Asphalt fahren. Das ist zwar kilometermäßig wesentlich weiter, sollte zeitlich aber auf’s Gleiche rauslaufen. Gerald schlägt vor, dass wir uns für die Strecke trennen und uns an der Grenze oder in Gao (Mali) wiedertreffen. Ich hätte ihn nie alleine fahren lassen, aber er besteht mehr oder weniger drauf. Er ist ja schließlich schon einmal alleine durch Afrika bis nach Kapstadt gefahren. Ich mach zum Abschied lieber noch ein Foto, vielleicht ist es das letzte mal, das er gesehen ward … oder wir
Gerald verabschiedet sich mit den nicht ganz ernst gemeinten Worten „endlich frei“
Mittlerweile hat es in unserer Kleingruppe nämlich erste Spannungen gegeben. Stephan und ich verfügen über rudimentäre Französischkenntnisse, Gerald dagegen spricht kein Wort Französisch. Das hat dazu geführt, dass die Einheimischen nur noch mit Stephan und mir sprechen und Gerald völlig ignorieren. Vor allem bei den teilweise sehr emotional geführten Verhandlungen
haben wir nicht immer daran gedacht, alles für Gerald zu übersetzen und seine Meinung einzuholen, deshalb fühlt er sich (zu Recht) ein wenig übergangen. Gerald erzählt später, dass auf einmal eine Menge Leute ein paar Brocken Englisch gesprochen haben, die vorher lieber ihren französischen Sprachvorteil genutzt haben
Gerald ist noch keine halbe Stunde weg, da stellen Stephan und ich fest, dass das hier die falsche Piste ist. Die „richtige“ Piste verläuft zunächst wunderbar zu fahren auf festem Grund. Na toll und deswegen haben wir uns von Gerald getrennt, mit der Gefahr, dass wir nicht mehr zusammen finden. Es dauert aber nicht lange, dann wird die Piste immer kleiner und bald gibt es nur noch eine Fahrspur, die sich durch die Büsche schlängelt.
Trotz dem recht üppigen Bewuchs ist der Boden nur besserer Sand. Das heißt, dass sich tiefsandige Rillen einfräsen, sobald ein paar Fahrzeuge die gleiche Spur benutzen, so wie hier. „Freies Fahren“ ist wegen dem Bewuchs meistens nicht möglich, oft läuft die Piste auch direkt durch die Hirsefelder der Bauern, sodass man sie tunlichst nicht verlassen sollte. Mittlerweile ist die Spur so eng und kurvig, dass wir die Mindestgeschwindigkeit von vielleicht 60km/h nicht mehr halten können, damit das Motorrad stabil läuft. Immer öfter kommen wir an Stellen, wo das Hinterrad im zweiten Gang mit Vollgas wühlt und die Fuhre trotzdem nur mit Schrittgeschwindigkeit voranschiebt. Für die letzten 10km haben wir 1,5h gebraucht, es liegen noch 180km vor uns und die Kräfte schwinden rapide. Gibt es hier eigentlich Löwen? Die könnten sich nämlich wunderbar im hohen Gras tarnen. Wer sieht das Untier, das mich erst auf den Gedanken mit den versteckten Löwen gebracht hat?
Schwachsinn, aus dem Erdkundeunterricht weiß ich, dass es hier keine gibt. (Heute, 1,5 Jahre nach der Reise weiß ich, dass es weniger als 400 Luftlinienkilometer weiter südwestlich jede Menge Löwen gibt. Ist das weit genug weg?
)
Mein Jugendlicher Übermut sagt mir: die Herausforderung annehmen und weiterfahren. Stephan und meine Vernunft sagen mir: umdrehen – wozu sich hier aufarbeiten, wenn es eine problemlose Umfahrung gibt. 2 Stürze später siegt die Vernunft: wir drehen um und folgen Gerald mit einem ¾ Tag Verspätung über die Asphaltstraße
Wirklich ärgerlich, dass die Stelle an der wir umkehren so völlig harmlos aussieht!
Wie soll man denn da zu Hause als knallharter Afrikafahrer durchgehen?! Vielleicht sollte ich mal bei Michael Martin ein wenig Poserunterricht nehmen
Mich ärgert es schon ein wenig, dass wir die geplante Route aufgeben müssen. Laut Reiseführer soll es entlang der Strecke herrliche Getreidespeicher aus Ton geben. Naja, man kann nicht alles haben.
Dann im ersten Dorf an der Straße die freudige Überraschung:
Da sind ja unsere Getreidespeicher!
Je nach Volksgruppe und Vegetation sehen die Häuser/Hütten/Speicher ganz unterschiedlich aus:
Woaw, das ist ja schon fast wie in Schwarzafrika! Der Theo ist begeistert
Für die Nacht fahren wir ein paar Meter von der Straße in den Busch.
Leider muß ich melden, dass das ganze Sahel verschissen ist! Da leben so viele Rinder und halbwilde Kamele, Esel und Ziegen, dass sich fast nirgends ein Plätzchen ohne entsprechende Bollen finden lässt. Die Folge der schleichenden Verscheissung sind jede Menge Fliegen, die zum Glück sofort den Betrieb einstellen, sobald die Sonne untergegangen ist. Da wir uns zwangsläufig nur alle paar Tage waschen können, dienen uns die Fliegen als Stinkometer. The more the merrier
Die Straße führt uns zunächst an der Grenze zu Nigeria entlang und über Orte mit so fröhlichen Namen wie Birnin-Konni, Dogondoutschi, Loga, Tabla, Filingué, Talcho, Abala.
Nach den vielen trockenen Wüstenkilometern dann plötzlich wieder Wasser.
Wir kommen langsam ins Überschwemmungsgebiet vom Nigerbinnendelta. Im August herrscht hier Regenzeit und einige Überschwemmungstümpel haben sich bis jetzt (Januar) gehalten.
Ab Dogondoutchi ist wieder offroad angesagt. Ein bisschen zumindest. Es geht erstmal stur geradeaus auf einer breiten Wellblechpiste.
Das Wellblech frisst unglaublich an unseren Reifen. Vielmehr als Asphalt, wo wir nur 80-90 km/h fahren, um die Reifen zu schonen.
Leider ist man auf so einer Piste nicht allein und wird immer mal wieder zu riskanten Überhol- oder Ausweichmanövern gezwungen.
In der Staubfahne muß man sich an die „Beute“ rantasten, und beim Ausscheren hoffen, dass gerade kein Gegenverkehr kommt. Eigentlich völlig bekloppt so blind zu überholen, so fahren bei uns nur die Gebückten
Umso mehr wir uns der Grenze zu Mali nähern, umso mehr zerfällt die Piste. 1-200km weiter südwestlich liegt Niamey, die Hauptstadt vom Niger. Der meiste Grenzverkehr wird mittlerweile auf der gut ausgebauten Strecke Niamey – Gao abgewickelt, wodurch „unser“ Grenzübergang bei Andéramboukane langsam der Bedeutungslosigkeit anheim fällt. Umso besser
Wie im echten Leben sind es auch hier die Frauen, die einem dasselbe versüßen
Diese Farbenvielfalt hat mich jeden Tag wieder aufs Neue fasziniert, das macht einfach fröhlich
Eine riesige Akazie lädt zur Mittagsrast ein.
Eine der Goldenen Wüstenfahrergebote lautet: Fahre nie unter Bäume - wegen der Dornen! Im Sahel ist das egal, hier kann man den Dornen gar nicht ausweichen. Bei jeder Pause untersuchen wir die Reifen und ziehen regelmäßig Akazienstachel aus den Reifen, hoffentlich bevor sie sich zum Schlauch durchgearbeitet haben.
Unser Mittagessen besteht meistens aus Weißbrot und Ölsardinen.
Den toten, kalten Fisch braucht es eigentlich gar nicht, das arabische Weißbrot ist dermaßen lecker! Überhaupt kein Vergleich zu dem lätschigen geschmacklosen französischen Baquette.
Stephan hat sich in Dirkou mit Trockendatteln eingedeckt. Ich, der ich einst die Besten Datteln der Welt aus Errachidia (Marokko) kosten durfte, kann über die Dinger nur lachen, da könnte ich ja genauso gut Steine essen
Aber frische Datteln gibt’s im Moment nicht. Stephan hält eh nix von frischen Datteln und nennt sie abfällig Touristendatteln. Seine Steinklumpen dagegen sind die „Echten“, die „Karabenemsidatteln“
So eine BMW dabei (hinter) sich zu haben, bringt auch Vorteile
Bei einer Pause entdeckt Stephan, dass mein Hecktank undicht ist. So ein Mist, dabei hatten wir Gerald fast eingeholt. In jedem größeren Dorf gibt es einen Dorfpolizisten, der nach dem Woher und Wohin fragt. Man hat uns immer von einem großen roten Motorrad erzählt, das kurz vor uns hier durchgekommen ist: Gerald. Zuletzt war der Abstand auf 2h geschrumpft. Naja, sieht so aus, als ob wir uns heute etwas früher ein Plätzchen für die Nacht suchen müssen, ein bisschen Schrauben ist angesagt.
Das Problem ist schnell identifiziert: ein Haarriss in einer Schweißnaht vom Aluhecktank. Konnte sich wohl nicht mit dem Geschüttel vom Wellblech anfreunden – oder liegt’s etwa an den Good Vibs der KTM?
Mit Silikondichtmasse kriegen wir das ganze zum Glück schnell wieder dicht. Hat dann auch die ganze restliche Tour gehalten.
Am nächsten Tag wird es immer einsamer, irgendwann ist die Piste dann ganz verschwunden und wir fahren ca. 40km völlig frei durch die Heide ohne irgendwelche Spuren menschlicher Zivilisation.
Es ist unbeschreiblich, ich komme mir vor wie ein Cowboy im wilden Westen. Bis plötzlich ein, dann ein zweiter Windhund an mir vorbeischießt. He, das kann gar nicht sein, ich bin hier der schnellste, bin nämlich KTM-Fahrer!
Mal schauen, was die so drauf haben. Unglaublich, bis 80 km/h gehen die mit! Und kleffen mich dabei sogar noch an! Irgendwann wird mir das zu heiß und ich habe Angst, dass die mir ins Vorderrad laufen. Als ich langsam ausrolle fangen sie an, nach meinen Füßen zu schnappen. Hätte ich mich doch gegen Tollwut impfen lassen sollen?
Aber ich kenn das schon aus Marokko, das ist der Einzylindersound, der die so wild macht. Kaum stelle ich den Motor ab, setzen sie sich friedlich auf die Hinterpfoten und endlich jappsen sie auch nach Luft. Hehe, also doch nicht so leicht zu knacken, so eine KTM
. Wie aus dem Nichts tauchen zwei Ziegenhirten auf. Wir sind hier wirklich am ADW, das merkt man daran, dass die Leute kein Französisch mehr sprechen, also keine Schulbildung genossen haben. Stephan schließt auf und ich lasse ihn ein Stück vorausfahren. So hängen sich die Hunde nämlich erstmal an ihn und ich kann in Ruhe wegfahren
Nach einer Weile finden wir wieder eine Piste, die sich wild durch’s Unterholz windet und mal mehr, mal weniger in unsere Richtung führt.
Cowboy sein macht mehr Spaß
Wir schaffen es tatsächlich bis zum Grenzübergang nach Andéramboukane und überraschen vier verschlafene Grenzpolizisten beim Kartenspielen. Nachdem ein paar mal kräftig ins eingetrocknete Stempelkissen gespuckt wurde, lassen sich sogar die meisten Einreiseformalitäten erledigen
Das Dorf ist einfach traumhaft schön. Wegen der Grenze traue ich mich allerdings nicht so recht zu fotografieren. Hier nur ein kleiner Auszug.
Wirklich schade, da muß ich unbedingt noch mal hin und mehr Bilder machen
So, für heute ist erst mal wieder Schluß. Im Nächsten Teil geht’s in Mali weiter. Dort erreichen wir Tombouctou über die schwierige Nordroute, bekommen in Anerkennung unserer Leistungen das Tuaregkreuz in Gold verliehen, wir fahren 400km mit dem Boot auf dem Nigerfluß, besuchen das Venedig Afrikas und die Dogon am Falais de Bandiagara und stellen mal wieder fest, dass in Afrika vieles größer ist (auch Frauenbrüste)
euer Theo