Hi Theo (und natürlich all die anderen

)
Wollte heute frohen Mutes zur Testfahrt einer DRZ-E schreiten (hatte mir in Gedanken schon ausgemalt wie die mit neuer Sitzbank und einem Karbon-Kotflügel aussehen würde) - und da lacht mir der Händler doch beim Eintreffen schon ins Gesicht. Tja, da war gestern einer da, hat sich drauf gesetzt, ist 5 Minunten gefahren - und hat sie gleich bezahlt
Tja, das war's dann mit der Testfahrt der verbleibenden -E-, denn die zweite welche in Frage gekommen wäre, ist ne verbastelte Kiste mit kippelndem Kolben. Die Mühle hatte ich vor Jahren mal ausgeschrieben gesehen und hatte die sogar Probe gefahren (lief wie die Hölle, war aber schon da in einem erbärmlichen Zustand) - und die hat sich tatsächlich einer angetan. Investiert wie blöd (neuer Kolben, neuer Zylinder, nach 8000 Kilometer neue Motorlager, neuer Steuerkettenspanner usw - kommt davon, wenn man ne Wettkampfkiste kauft) und trotzdem ne Lotterkiste bei der nicht mal der Händler der sie teuer zusammengefriemelt hat weiss, wie lange sie noch läuft .
Was tun? na ja - natürlich los zum nächsten Händler (KMS-Racing, die haben ein eigenes KTM/Husberg Racing Team und bauen ganz heisse Geschütze für die Profi-Liga auf) und dort natürlich sofort nach der 690er gefragt. Man soll sich schliesslich alle Optionen offen halten
Erste Kontaktaufnahme: die Optik bleibt bestritten - das Ding ist von vorne wie hinten schlicht nur hässlich. Sobald man sich allerdings drauf setzt, sieht man weder den hässlichen Frontkotflügel noch die Ariane-Trägerraketen auf der Seite, man könnte sich also allenfals geschlagen geben
Sitzposition ist einfach perfekt. Da rutscht nichts, da wakelt nichts, die Position der Hände und Arme liegen wie von selbst am richtigen Ort und führen ganz von selber zu einer leicht Racing-Orientierten Sitzhaltung (vielleicht auch einfach, weil man Lc4-geschädigt ist), alle Schalter sind da wo sie hingehören und lassen sich ohne irgendwelche Überlegungen drücken und klicken, nur die Spiegel sind ein bisschen gar weit aussen, wenn man sich auf der Abbiegespuhr an den Kolonnen vorbeischlängelt. Soweit also keine Überraschungen.
Zündschlüssel gedreht und das Mäusekino startet eine nette Show - ob man das mag, wenn man im Eifer des Gefechts die Kiste mal weggeschmissen hat und schnell wieder losfahren möchte, würde ich bezweifeln, allerdings dürfte da auch sonst noch einiges in die Brüche gehen
Und dann die Überraschung: KTM bleibt KTM. Obwol die Kiste grad mal ein paar Kilometer hat und die neuste Errungenschaft im Hause der organen Feger ist, klimperts, fiipfs, pfeiffts, klappters, quitschts - und es rappelt weiterhin. Lc4-Fahrer welche schon den Verlust Ihrer Identität befürchteten können also beruhigt sein - zwar alles halb so wild wie bei der alten Lc4, aber meilenweit entfernt von seideneich laufenden Agregaten wie einer DRZ, WR oder selbst EXC.
Mal losgefahren fällt die sehr weiche Kupplung auf (vor allem, da so gut wie alle Lc4-Fahrer mit den stärkeren Rallye-Kupplungsfedern ihre Fingerchen gestärkt hatten), die Gänge flutschen nur so rein (auch da nicht grad üblich bei den Schüttelmonstern). Die Sitzposition ist enorm tief, der Kniewinkel aber passt. Kurven fahren sich wie von alleine - egal ob lang, ob kurz, ob (zu) schnell, oder beinahe im Stand. Das Fahrwerk flösst selbst auf übelsten Strassen Respekt ein, auch wenn ich es auf Drittklass-Strassen schon als zu straff betiteln würde. Selbst übelste Bremsmanöver bei denen auch noch runtergeschalten wurde und dabei mit der Hinterradbremse noch verzögert wurde, haben das Heck nicht zum ausbrechen verleiten lassen. Abstimmung also super gelungen und Reifen der hält was er verspricht (an die Kosten der fetten Dinger beim Ersatz, sollte man sich lieber erst dann Gedanken machen wenn neue fällig sind).
Unterhalb von 4000 Touren lässt es sich zwar einigermassen cruisen, aber so richtig Freude kommt nicht auf. Die Kiste ist wie viele Sumos extrem lang übersetzt und fängt drum an zu rukkeln, wenn kein Zug auf der Kette ist. Bei rund 3'500 Touren im 6. Gang liegen 80 Km/h an - das heisst für schweizer Treiber, dass man den höchstens auf Autobahnetappen seriös benutzen kann. 5. mit 80 Km/h ist schon besser, 4. ist gut - und im 3. macht es so richtig Spass (hab's nicht versucht, würde aber meinen, dass selbst der Zweite es bis 80 schaffen würde). Nur ernsthaft: wer braucht denn ne Maschine bei dem ein Gang so gut wie nie, einer kaum zu gebrauchen und selbst der Dritte noch für Lebenslagen Ausweisentzug gut ist wenn man mal bisschen Spass haben will (von der vollen Leistung auszukosten mal sowieso abgesehen)
Insgesamt gesehen für mich glatt eine Enttäuschung, vor allem weil der Dampf erst mit so hohen Touren kommt, dass man da schon weit ab von legaler Fahrweise ist. Zwar ein gigantisches Fahrwerk, aber auch hier: Vorderradbrese ist zwar bissig, aber das letzte Quentschen Rückmeldung fehlt halt einfach (wird sicher bald auch hier ne Beringer zum Nachrüsten geben - die Version "Sixdays" ist ja bereits mit einer Radialen Armatur ausgestattet). Hinterradbremse? Sie quitscht!! Na bitte, auch da werden die alten Lc4-Treiber nicht enttäuscht - ein bisschen Nostalgie muss auch da wohl sein. Der Händler hat die Hinterradbremse übrigens schon zig mal überprüft - nix zu machen, ist einfach Standard ab Werk (selbst andere Bremsbeläge nutzten nichts).
Für mich ein klarer Fall: so nicht! Wer sich ohne Geschwindigkeitslimiten tummeln kann, sich um Staus nicht kümmert und über gesperrte Pisten glüht, der wird mit dem Teil seine helle Freude haben - wer täglich zur Arbeit fährt, mehr im Stau als anderso steht und sich penibel an die geltenden Höchstgeschwindigken hält, für den ist das schlicht rausgeschmissenes Geld. Ein Fazit, das übrigens durchaus auch vom Mechaniker dieser Edelschmiede und vom Chef persönlich geteilt wird.
Als kleine Anmerkung: die Idee das Teil mit Geländefelgen zu bestücken, hab ich schnell verworfen. Die abstehenden Kühler-Spoiler und das eckige (aber durchaus nett anzusehende) Heck sowie die breiten Töpfe würden jeden Wegwerfversuch mit massivem Verlust auf dem Bankkonto bestrafen. Hier ist also warten angesagt - eine Adventure-Variante soll (gemäss unbestätigten Meldungen

) nicht mehr ewig auf sich warten lassen (vermutlich 2008, also nächste Saison). Und mit viel Glück wird die nicht extrem viel anders aussehen als eine leicht abgespeckte Version der 690er Replica, also weit enfernt von dem was die Adventure früher mit der 660er Replica verband (das die Lc4 ab Werk nie und nimmer wirklich Offroadtauglich oder gar Rallyetauglich war, verheimlichen mittlerweile nicht mal mehr die Händler - vor allem der Unterdruckvergaser mit all seinen Öffnungen musste da bearbeitet werden, damit die Karre nicht bei der ersten Düne schon schlapp macht). Warten kann sich für Offroad-Reisefans also durchaus lohnen
Na dann - es geht weiter mit den Probefahren
Marc
der die DRZ noch nicht ganz abgeschrieben hat - dem aber leider die Angebote für die -E- ausgegangen sind
übrigens: beim Heimfahren hab ich noch kurz bei einem anderen Händler angehalten - der hätte ne VOR 503 mit 500 Kilomeger inklusive Sumo und Enduroradsatz für echt günstig Geld abzugeben. Zum Glück gibt's Internet - da hab ich dann noch vor der Probefahrt rausgefunden, dass es für die Kiste weder Zubehör (Tanks) noch Ersatzteile mehr gibt. Schade, denn das Fahrwerk (Öhlins/Paroli) hinterlässt einen super Eindruck.