Hallöchen Leute
Wie viele wissen, hab ich mein Auge schon länger auf eine DRZ geworfen und wollte damit meine geliebte WR426 ersetzten. Das die WR eine Rallyemaschine war und teuer aufgebaut (und leider nach Erfahrungen mit Unfällen) immer wieder umgebaut wurde, ist eine Sache, dass es die DRZ einigermassen neu und zu bezahlbaren Preisen nur noch als SM gibt, eine andere.
Das ich auch einige Strassenmaschinen (von 125er Honda NSR über 600er Kawa zu 750er Honda bis zur 1000er SP-1 mit einigem an Rennstreckentechnik) und auch diverse Enduros gefahren bin, auch KTM Lc4 in Rallyeausführung, DRZ in -S-, in -E-, Lc4 in Sumo-Ausführung und selbst 125er DT, Rallye-Tenere welche auf einer umgebauten 660er XTZ basierte und noch diverse andere Leihmaschinen sowie die aktuell doch schon etwas altersschwache Afrika Twin (RD07) sei nur am Rande erwähnt. So völlig als Anfänger würde ich mich nach vielen Wüstenreisen, einigen Rallyes und diversen Endrotrainings welche von Wandern bis zu echtem Brutal-Hardocre (ich mag es definitiv nicht, wenn man die Maschinen zu viert durch die Gegend tragen muss) gegangen ist, auch nicht mehr bezeichnen, von einem Motorrad-Profitester bin ich allerdings genau so weit entfernt.
Dies mal als Vorbemerkung, damit vielleicht einige Unwissenheiten nicht sauer aufstossen - will schliesslich keinem seine geliebte DRZ madig machen.
Zum Wesentlichen: heute hatte ich endlich mal Zeit die im Forum mit Bild bereits gezeigte schwarze SM Probe zu fahren. Als Spezialität wurde der Kiste ein Mikuni-Flachschieber mit Beschleunigungspumpe spendiert und ein schöner Leovince Endtopf sollte die Fahrleistungen noch einmal etwas steigern - so versicherte mir glaubhaft zumindest der Händer der die Kiste verkaufen wollte.
Damit die Eingeschworenen schon mal hier abbrechen können: das Restultat war extrem ernüchternd
Der Reihe nach: als erstes ist mir die wirklich gut dimensionierte Gabel aufgefallen. Sieht echt vertrauenswerweckend aus, zudem optisch wirklich hübsch. In Schwarz macht die SM zudem wirklich was her - sieht einfach weniger wie Blech aus, als die Blau/weissen -S- Varianten, zumal die Gabel ohne die billigen Plastik-Faltbälge einfach hochwertiger erscheint. Wie die -E- hat auch die SM die Luftfilter-Schnellverschlüsse, ein Pluspunkt für Leute welche die elendigen Schrauben und überdrehte Gewinde der Lc4 gewohnt sind und sich wegen viel Staub und Fahrens im Gelände doch auch mal der Luftfilterpflege widmen.
Die Bremsanlage ist nicht weiter erwähnenswert, ist halt eine grosse Bremsscheibe - wie in Sumo-Kreisen üblich. Die billigen Handgebel, die Gummi-Bremsschläuche und der Kabel-Wirrwar unter dem nicht wirklich übersichtlichen Cockpit hab ich mir lieber nicht näher angeschaut - ein günstiger Preis kommt nicht von ungefähr. Gegenüber der KTM Werks-Part-Ausführung (von welcher auch Husaberg mit den Radialen Bremsarmaturen und der Beringern-Bremsanlagen profitiert), ist der Stand der Technik weit entfernt - aber Hauptsache das Ding brems vernfünfig, was man keineswegs bezweifeln kann.
Der Kupplung kann man nicht gross was vorwerfen, erstaunt war ich wegen der extrem weichen Kupplung. Ob das auf tausenden von hart gefahrenen Rennstrecken-Kilometern oder in den ewig langen Tiefansetappen an Rallyes gutgeht wo selbst standhafte 660er Rallye-Replicas von KTM schon mal abrauchen, bleibt ein gut behütetes Geheimnis - aber dafür war die SM ja wohl auch nie wirklich gedacht.
Beim Warmlaufen fällt auf, dass der Chock des Flachschiebers erwartungsgemäss nicht eingesehen werden kann (ist beim FCR ja nicht anders). Übung macht wohl den Meister - aber wirklich gut erreichbar ist er sicher nicht. Auch hab ich selbst nach längerem Suchen keinen Heiss-Start-Knopf gefunden - aber wer weiss schon, wo Mikuni so ein Teil versteckt (beim FCR liegt er, zudem in Rot eingefärbt, gleich neben dem Chock). Bei den aktuellen Temperaturen (rund 20°) war auch kein Wunder, dass der Motor nur in den ersten Sekunden Starthilfe brauchte, danach recht blechern vor sich hin blubberte. Nicht übel, der Ton mit dem Leovince, lässt zumindest einiges an Erwartung aufkommen.
Erster Wegfahrversuch schon mal geglückt (uff - wäre nicht das erste mal, dass ich einen Endruomotor schon beim Händler abwürge
). Das Getriebe lässt sich butterweich schalten, fast einen Hauch zu weich, dass man nicht ganz sicher ist ob der nächste Gang auch wirklich drin ist (hab mich aber nie verschalten, somit wohl ein psychologisches Problem).
Zwei, drei Ampeln weiter geht es dann auf Nebenstrecke. Super Kurvengewühl mit einsichtbaren Kurven, da kann man schon mal richtig Gas geben. Fahrposition ist nicht unbequem, aber für meine Verhältnisse (178, 85 Kilo) ist die Distanz Fussrasten-Lenker nicht optimal. Irgendwie ist der Kniewinkel zu klein um bequem zu sitzen - trotzdem ist die Fahrposition nicht ganz so agressiv nach vorne wie beispielsweise bei einer EXC der Fall. So lässig locker wie auf meiner WR fühlt sich das nicht an, auch wenn die Sitzbank durchaus einiges an Kilometern zulassen würde. Auffallen tun hier auch nervige Feinfvibrationen welche sich vom Lenker bis in die Fussrasten verbreiten (fahre bei Testfahrten ausschliesslcih mit Racing-Handschuhen von Held mit sehr dünnen Känguru-Innenhandflächen und Strassenschuhen mit Ledersole, da fühlt man sofort das kleinste Eigenleben der Maschine - auch klar, dass man im normalen Motorrad-Alltag nie mit solchen Büro-Tretern unterwegs sein würde).
Einige Kurven weiter und einige Blicke in die (für mich unbeschreibbar hässlichen) Rückspiegel, dann kann man mal ernsthaft die Bremsen testen. Erst eher zaghaft, damit die Dinger auch mal warm werden, dann immer extremer, bis das Hinterrad den Gripp verliert. Die Abstimmung der Gabel ist durchwegs gelungen, auch wenn sich das typische Endurofeeling mit Wippeffekt nicht einstellen will. Das Federbein hat für mich klar zu wenig Negativ-Federweg, so ist beim haren Reinbremsen in die Kurve mit etwas Unterstützung der Bremse von Hinterrad die Karre gleich mal schräg gegangen. Wäre sicher auf der Cartbahn lustig - aber nur, wenn der Sturzraum frei ist und man den Drift mit dem Gas kontrollieren kann.
Und hier kommt denn auch der Mega-Kritikpunkt der mich klar vom Kauf abhält. Leistung: Null. Nicht unten, nicht mittig, nicht oben - schlicht überhaupt gar nirgens. Das Feeling mit der WR wo man mit 2mm mehr Gas in einem grossen Drehzahlbereich das Vorderrad ohne Würgen, Wuchten oder Gewichtsverlagerung einfach über alles lupfen kann ist schlicht nicht vorhanden. Logisch, die SM ist keine -E-, aber mit dem Schiervergaser hab ich eindeutig sehr viel mehr erwartet. Zudem hat mir der Händler (Husqvarna/Suzuki) versichert, dass die Maschine mit dem Zubehörvergaser sehr viel besser läuft, als mit dem Original-Mikuni.
Einige Kilometer weiter wurde kehrt gemacht (die Zeit drückte, hab für die Fahrt zum Händler zu lange im Stau gestanden), da wurde für die Rückfahrt nochmal richtig Stoff gegeben und von all den schönen Kurven profitiert. Schnell zieht die Mühle bis knapp 100 hoch, dann wird es zäh. Für Schweizer SM-Fahrer kein Problem - bei dem Tempo hängt der Führerschein nur noch am seidnene Faden, für jene welche auch mal Autobahn fahren müssen um beispielsweise in die Alpen zu kommen, kann das recht schnell öde werden. Windschutz der Lampenmaskte ist gleich null (zugegeben, mehr ist von vielen Endruos nicht zu erwarten), der Lärm der die Maschine produziert beim Gas aufreissen, jedoch jenseits von halb-legalem Einsatzbereich. Wie alle wissen, sind die Gegenden wo man wenigstens auf zusehen hin mal noch einen Waldweg oder eine Verbindungsstrasse mit Schotter fahren kann gezählt, jedes DB mehr als nötig, macht die Sache nur noch schwieriger.
Als Pluspunkt muss ich anfügen, dass die SM extrem schmal baut (ok, hatte Jeans an und keine Knieschoner, auch hier extra, damit man eben jegliches Eigenleben der Maschine spühren kann). Wieso bei Enduros immer noch Fussrasten mit Gummiauflagen verbaut werden (welche zum Glück schnell abmontiert sind) entzieht sich meiner Kenntnis, wieso man aber solche Mini-Fussrasten verbaut welche einem bei härterer Gangart jeden Halt vermissen lassen, kann nur auf den Rotstift und ein gut sortiertes Zubehörangebot zurückzuf'ühren sein. Was mir gefallen hat, war die gute Ablesbarkeit des Tripmasters, negativ allerdigns, dass die Knöpfe nicht per Fernbedienung am Lenkerende bedient werden können. Würde gerne mal wissen wer sich bei Suzuki für so ein Layout verantwortlich zeichnet - das ist weder im Strassenverkehr und schon gar nicht im Geläneeinsatz praktikabel.
Bei all den Knöpfen und Angaben hab ich allerdings eines nicht gefunden: einen Drezhalmesser. Zugegeben: hab auch lieber profitiert zu Fahren, als an dem Kram rumzuspielen und habe auch sonst kaum mal einen Drehzahlmesser vermisst, aber bei einer Maschine welche so hoch dreht, könnte das durchaus ein nützliches Teilchen sein (viellicht gibt es so was ja irgendwo in einem Unterprogramm?)
Zurück beim Händler, hab ich ihm meine Erfahrungen mitgeteilt und noch eine Weile mit ihm geplaudert (er ist ein alter Crosser, genauso wenig Markenblind wie ich) und wurde zumidnest in Teilen in meinen Eindrücken bestätigt.
Da reine Vermutung, leider nicht bestätigt, aber:
1. wer mit Tuninggedanken spielt, soll es richtig machen
2. mit anderen Worten: Billigtuning mit nachgeworfenen Scheibervergasern sollte man sein lassen (wenn schon, dann FCR, alles andere ist idiotisch)
3. schon mal ganz sicher, wenn dazu ein Topf montiert wird der das gesamte System durcheinanderbringt
4. und der zusammengewürftelte Mist nicht mal auf einem Prüfstand abgestimmt wird
Das Fahrverhalten konnte bis auf die Bremse nicht überzeugen - und selbst da fehlt ein absolut glasklar definierter Druckpunkt. Im Gegensatz zu den Rennbremsen meiner VTR-SP ist der Druckpunkt teigig, lässt allerdings einiges mehr an Fehlern übrig und ist nur durch brachiale Bremseinwirkung zu blockieren - welche mit 2-Fingern bei höheren Geschwindigkeiten nicht zu bewerkstelligen sind).
Die von mir getestete Maschine konnte weder vom Fahrwerk (zu wenig Negativ-Federweg hinten), noch von den Reifen (wegschmieren in Kurven), noch von den Bremsen (für Renn-Einsatz) und schon gar nicht von der Leistunsempfaltung her überzeugen.
Ausser viel Lärm nichts gewesen, wäre ZU DIESER Maschine mein Fazit. Auch wenn, zugegebenermassen, das Handling wirklich überzeugt, die Sitzposisiton bis auf die nervigen Feinvibrationen durchaus akzeptabel ist, und der Preis sowie die Wartunsintervalle absolut überzeugen können.
Werde mir demnächst (nächstens sind die Suzuki-Testtage) mal eine ganz normale SM zur Brust nehmen. Wenn sich die Aussage des Händlers bewarheitet und die SM mit normalem Vergaser noch seichter läuft, dann tun mir all die DRZ-SM Fahrer wirklich leid - die hätten echt was besseres verdient. Ein solch kraftloser, seichter Motor, ohne irgendwo auch nur einen Hauch einer Agressivität wünsch ich keinem - so macht Sumofahren einfach keinen Spass.
Wie gesagt: alles nur auf diese eine Sumo (JG 2005, 2'300 Kilometer, Ausstattung Original bis auf Mikuni-Schiebervergaser und Leovince-Endropf mit Beiblatt) bezogen.
Wünsche jedem, dass er mit seiner Kiste mehr Spass hat.
Marc